Mit Yoga verbinden, verstehen, verändern.
Yoga braucht Konzentration
Sonst werden die Bewegungen und Positionen auf der Matte zu Gymnastik. Achtsamkeit und Präsenz für den Augenblick machen Yoga als Lehre und Praxis aus. Yoga lädt uns ein, hier im Moment anzukommen, uns dem Augenblick hinzugeben, die Vergangenheit loszulassen, die Zukunft abwarten zu können und einfach nur präsent zu sein. Aus diesem Dasein wird es leichter möglich zu erkennen, was gerade passiert: Um uns und vor allem auch in uns. Wir lernen, die Zusammenhänge zu sehen, die zwischen einer Bewegung und einer Empfindung, einem Atemzug und einer Gefühlsregung, einem Gedanken und einer körperlich spürbaren Emotion bestehen. Diese Verbindung wirkt im Augenblick und sie hat auch schon in Vergangenheit ihre Effekte gezeigt. Wenn wir auf der Matte zur Yogapraxis kommen, sind wir immer auch Individuen, die aus dem Alltag voller Erlebnisse, Bedürfnisse und Wünsche kommen. Genau in diesem Moment zeigen sich auch die vielen Aspekte der Vergangenheit und das, was wir daraus für die Zukunft ableiten: Das möchte ich etwas näher beschreiben:
Die Macht der Gewohnheit
Je öfter wir etwas wiederholen und tun, desto
automatisierter und eingespielter wird es. Das beginnt beim Lernen von
alltäglichen Handlungen wie zbsp. Fahrradfahren, Zähneputzen, Smartphone
verwenden. Genauso verhält es sich auch mit Haltungen: Je öfter wir die Tasche
auf einer Schulter tragen, in einer bestimmten Position am Schreibtisch
verweilen oder telefonieren, umso mehr prägt sich dieses Bewegungsmuster ein.
Dasselbe passiert auch auf einer mentalen Ebene. Je öfter wir einen Gedanken
verfolgen, desto mehr wird dieser zu einem festgefahrenen Denkpfad.
Gewohnheiten entstehen auch in unseren Sichtweisen und Interpretationen. Die
Blickwinkel, die wir immer wieder einnehmen und die Aspekte, auf die wir
unseren Fokus richten, formen unsere Wahrnehmung und dadurch unsere
Wirklichkeit.
Genau aus diesen Mustern heraus entwickeln wir uns als Personen. Beeinflusst
durch unsere Lebensgeschichte, durch alles, was uns widerfährt, durch vieles,
das auch nur unbewusst verarbeitet wird und auch durch unsere Wünsche und
Sehnsüchte formt sich unser Sein und Tun. Auf der Matte begegnen wir genau dem.
Bewegungen, Haltungen, Blickwinkel
Und wir erkennen, wie alles zusammenspielt: Die Bewegungen lassen in sich geschlossen Wechselwirkungen untereinander entstehen: Die nach vorne gebeugte Sitzhaltung beeinflusst die Verlagerung unseres Körpergewichts auf die einzelnen Wirbel, die Position unsres Kopfes verändert sich, das Becken kippt entsprechen nach hinten und wir gleichen die Haltung mit unseren Beinen und Füßen aus.
Wenn wir einem Gedankenpfad folgen und eine bestimmte Sichtweise vertreten, werden sich um uns herum immer wieder Aspekte und Ereignisse zeigen, die genau diese Wirklichkeit bestärken und wachsen lassen. Unser Fokus wird weiterhin auf genau diese Dinge gerichtet bleiben und so wird auch unser Handeln genau die aufgebaute Wirklichkeit vertreten.
Die tagtäglichen Wege und Aktionen laufen automatisiert ab, du kannst gar nicht mehr genau sagen, wie Zähneputzen eigentlich funktioniert, welcher Fuß als erstes auf das Rad steigt und welche Schritte genau du bei der Verwendung deines Smartphones ausführst.
Was Yoga dir ermöglicht
All das prägt und beeinflusst uns. Und genau so kommen wir auf die Matte. Kommen an beim Yoga und versuchen, jetzt und hier im Moment zu sein. In einem Augenblick der Achtsamkeit tut sich dann auch die Möglichkeit auf, die automatisierten Abläufe, die eingespielten Haltungen, die verfolgten Muster zu erkennen und vor allem auch die Zusammenhänge dazwischen zu sehen. Der verspannte Rücken beeinflusst den Atem, dieser wiederum verändert sich in seinem Rhythmus und seinem Fließen. Dadurch reagiert unser autonomes Nervensystem und es laufen bestimmte Prozesse in unserem Körper ab, Nervenbotenstoffe und Hormone werden produziert. Unsere Wahrnehmung verändert sich, Emotionen entstehen und darauf antwortet unser Körper. Die Haltung verändert sich erneut und so auch der Tonus unserer Muskulatur. Alles ist miteinander verbunden. Körper, Geist, Seele und Atem sind neurobiologisch miteinander verknüpft, die Umwelt wirkt auf uns, ebenso auch zwischenmenschliche Erfahrungen und seelische Prozesse. Was die Disziplin der Psychosomatik beschreibt, lässt sich auch beim Yoga erleben.
Die Verbindung neu betrachten
Mit dem Verständnis für diese bestehende Verbindung und dem Bewusstsein über die Zusammenhänge, die uns prägen, bekommt die Achtsamkeit für uns selbst in diesem Augenblick einen neuen Aspekt. Es ist wertvoll, die Vergangenheit zu berücksichtigen, um das, was jetzt in uns ist, besser verstehen zu können. Genau auch diese Vergangenheit ist der lebende Beweis dafür, dass Wechselwirkungen und Verbindungen bestehen. Diese können wir uns zunutze machen. Mit dem Bewusstsein für das, was war und wie es auf uns gewirkt hat, können wir jetzt in diesem Augenblick beim eigenen Körper beginnen, diesen mit wohltuenden, lockernden, dehnenden Bewegungen und Haltungen stimulieren. Dadurch unseren Atem beeinflussen und so auch biologische Prozesse im Organismus anregen, die uns Wohlsein finden lassen. Auch unser Fokus kann sich neu ausrichten, unsere Blickwinkel verändern sich und vor allem entsteht genau hier und jetzt auch die Möglichkeit, das Alte loszulassen und all das, was aus der Vergangenheit uns beeinflusst und geprägt hat, neu zu betrachten.
Verstehen lernen
Wir sehen, was ist, wir verstehen, was war und wie es uns zu
dem gemacht hat, was wir in diesem Augenblick sind. Genau hier tut sich nun die
Möglichkeit auf, dem Augenblick zu begegnen und einfach nur ein Fließen in der
Bewegung, ein Vertrauen in den eigenen Atem und ein Bleiben bei uns selbst
zuzulassen. So dass wir aus der Vergangenheit heraus treten und uns selbst die
Möglichkeit geben, einen neuen, bewussten Schritt zu wagen, der uns in Richtung
zum Wohlsein auf allen Ebenen führt.
Einfache Achtsamkeitsübung zum Verbinden, Verstehen, Verändern
Finde eine entspannte Sitzposition und erde deine Füße am
Boden. Lass dir Zeit, um Stabilität aufzubauen und nutze diese Stabilität in
deinen Füßen und deinem Becken, um dich aufzurichten. Erkennst du den
Zusammenhang zwischen dem Erden an bestimmten Punkten und dem Aufrichten an
anderen? Beobachte, wie dein Atem gerade fließt. Lass ihn einfach durch die
Nase ein und wieder aus strömen. Spürst du ihn in deinem Bauch, deinem
Brustkorb, oder ganz woanders? Nimm deine Haltung wahr und wie eben diese
Haltung Einfluss auf deinen Atem hat. Bleibe bei deinem Atem und deinem Körper,
der weiter erdet und sich aufrichtet und beobachte, was das Mitgehen mit dem
eignen Atem und das Spüren des Körpers auf einer mentalen Ebene auslöst. Mach
dir bewusst, welcher Tag heute ist, wie spät es ist, welche Geräusche du hörst und
wo genau du in deinem Leben stehst. Hat der tiefe Atem, der sich langsam
einstellt einen Einfluss auf deine Gedankengänge? Welche Emotionen zeigen sich
in dir und worauf richtet sich dein Fokus? Eilst du zurück in die Vergangenheit
oder springst du nach vorne in die Zukunft? Entscheide dich ganz bewusst, hier
zu bleiben und da zu sein. In einem Augenblick, den du dir selbst und deinem
Atem widmest, in einem Moment, den du nutzt, um deinen Körper zu entspannen und
voller Neugier und Offenheit, dir selbst begegnest. Die Spannung fließt aus dem
Körper aus, dein Atem verändert sich, dein Geist wird klar. Die inneren
Verbindungen sind sichtbar und spürbar. In der gefundenen Achtsamkeit erkennst
du, wie du genau jetzt, auf allen Ebenen neu beginnen kannst.
Bleibe noch ein paar Atemzüge in dieser achtsamen Haltung. Um dich herauszulösen,
beginne mit sanften Bewegungen, kneife deine Augen zusammen, zieh dich lang und
atme ein paar Mal bewusst durch den Mund aus. Gehe zurück in deinen Alltag und
nutze die gefundenen Erkenntnisse für dich und dein Wohlsein.
Ich wünsche dir viel Spaß und freue mich auf ein gemeinsames Praktizieren.
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